Die zu den Projekten der internationalen Bauausstellung 2027 StadtRegion Stuttgart (IBA'27) gehörende Veranstaltungsreihe »Research goes Public – Bauforschung im Praxisaustausch« des Fraunhofer-Informationszentrums Raum und Bau IRB griff am 8. September 2020 das diesjährige Jahresthema der IBA auf: das Stadtklima.
Fabian Brodbeck, Fraunhofer IRB, führte in die Veranstaltung ein und formulierte die übergeordnete Fragestellung, wie sich Klimaschutzmaßnahmen in urbanen Gebieten besser zur Anwendung bringen lassen.
Grün statt Grau – mit dem Baum voran!
Sandra Sieber, TU Darmstadt, Fachgebiet Entwerfen und Freiraumplanung, startete mit dem ersten Impulsvortrag. Sie zeigte, dass, aufbauend auf der theoretischen Entwicklung von Stadtraumtypologien, eine praxisbezogene Visualisierung der typischen Probleme der einzelnen Stadtraumtypen erfolgen konnte.
Exemplarisch stellte sie das Projekt »Grün statt Grau – Gewerbegebiete im Wandel (GeWa)« zur Begrünung von Industriegebieten von einigen Kommunen in Nordrhein-Westfalen vor. Dort wurden die theoretisch erarbeiteten Ansätze sehr erfolgreich zur Anwendung gebracht. Abschließend wies sie auf die Angebote für Studierende hin, die in ihren Entwürfen Bauwerksbegrünungen umsetzen und entsprechende Unterstützung erhalten – auch eine Art von Praxistransfer.
Textile Living-Wall-Systeme
Im zweiten Impulsvortrag gab Christoph Riethmüller, Bereichsleiter Technologietransfer, Spulentechnologie und Denkendorfer Zukunftswerkstatt am DITF Deutsche Institute für Textil- und Faserforschung, einen Einblick in die Arbeit der größten europäischen Textilforschungseinrichtung und welchen Beitrag Textilien zum Schutz des Stadtklimas leisten können, da Bautextilien in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen haben.
Gerade die textilen Living-Wall-Systeme werden als ein wichtiger Baustein bei der Nachverdichtung in urbanen Gebieten gesehen. Sie bieten die Möglichkeit, bisher ungenutzte Flächen zur Erhöhung der Lebensqualität, Verbesserung der Luftqualität, zur Reduzierung von Hitzeinseln und zur Erfüllung von wirtschaftlichen Vorgaben zu nutzen. Exemplarisch stellte Riethmüller das Projekt »MoosTex« vor, das das DITF zusammen mit Helix und Züblin umgesetzt hat. Im Projekt wurden modulare Lärmschutzwände entwickelt, die auf der Wirkseite mit Moosflächen versehen sind. Moose sind wegen ihrer reinen Versorgung aus der Luft wahre Feinstaubsenken, betonte Riethmüller.
Klimawandelanpassung in der Planung, Stadt Stuttgart
Den abschließenden Impulsvortrag hielt Silke Drautz, Stadtklimatologin beim Amt für Umweltschutz der Stadt Stuttgart. Da Stuttgart zu den wärmsten und am schlechtesten durchlüfteten Städten Deutschlands gehört, bietet die Stadt ein breites Betätigungsfeld. Drautz gab dabei einen Ausblick bis ins Jahr 2060 und einen Überblick über den baurechtlichen Rahmen, in dem sich Planungen für Klimaschutzmaßnahmen bewegen. Als wichtigste Planungsebenen werden der Flächennutzungsplan, die städtebauliche Rahmenplanung mit dem ersten Rahmenplan Halbhöhenlagen und der Bebauungsplan genutzt.
Exemplarisch stellte Drautz eine Maßnahme zur besseren Durchlüftung im Stadtrandbereich vor. Dabei wurde als grüner Korridor ein einhundert Meter breiter Streifen bereits im Flächennutzungsplan für ein Industriegebiet zur Durchlüftung und als Kaltluftleitsystem berücksichtigt. Ein weiteres Beispiel griff die Maßnahme »Grün in der Stadt« auf, die Auswirkungen auf den Bebauungsplan des Neckarparks hatte. Als immer wichtiger werdendes Instrument stellte die Referentin die städtebauliche Rahmenplanung vor, innerhalb derer größere Zusammenhänge auch auf Quartiersebene abgebildet werden können. Anhand einer kleinräumigen Maßnahme wurde abschließend gezeigt, dass auch lokal begrenzte Maßnahmen schon erstaunlich große Wirkungen entfalten können.
Die Referentinnen und Referenten diskutierten im Anschluss an die Impulsvorträge gemeinsam mit Andreas Hofer, Intendant der IBA'27, Christine von Raven, Stadtlücken e.V., und dem Publikum über die Frage, vor welche Herausforderungen die Veränderung des Klimas Städte stellt und mit welchen baulichen Maßnahmen dem begegnet werden kann.