Nachhaltigkeit/Cradle to Cradle

Im Düsseldorfer Rheinhafen ist ein siebengeschossiger moderner Holzhybridbau errichtet worden. Das Bürogebäude trägt den Namen »The Cradle« und basiert auf ebendiesem Prinzip: Cradle to Cradle – von der Wiege zur Wiege. Hierbei dient die Natur mit ihren geschlossenen Rohstoff-, Produktions- und Wiederverwertungskreisläufen als Vorbild, bei dem keine Abfälle mehr entstehen. Mit innovativen Bauverfahren und einer durchdachten Materialauswahl setzt das Projekt neue Maßstäbe für nachhaltiges Bauen. Die Kombination aus fortschrittlicher Technik und ökologischer Verantwortung macht The Cradle zu einem wegweisenden Beispiel für zukünftige Architekturprojekte.
Bei The Cradle ist die Bauherrschaft mit einem Team aus Architektur, Holzbau, Tragwerksplanung und Gebäudetechnik angetreten, um neue Planungswege zu beschreiten. Für das mittels BIM (Building Information Modelling) konzipierte multifunktionale Bürogebäude mit Restaurationsbetrieb wurde das Ziel proklamiert, definierte Bauteile nach Nutzungsende zurückbauen und wiederverwenden zu können. Dazu trägt eine eigens entwickelte leimfreie Steckverbindung bei, die in Kombination mit einer maximalen Vorfertigung und Vormontage der (Holzbau-)Elemente einen zukünftigen unkomplizierten Rückbau ermöglicht.
Ferner sind bestimmte Bauprodukte bei den Herstellern geleast worden, sodass diese nach der Nutzung zurückgegeben werden können. Passend dazu hat das ausführende Holzbauunternehmen, die Derix-Gruppe, als erster Hersteller im deutschsprachigen Raum das Kreislaufprinzip in Form einer Rücknahmeverpflichtung für seine in den Bauverkehr gebrachten genormten Holzbauprodukte Brettschicht- (BSH) und Brettsperrholz (BSP) aufgesetzt. Hierbei werden die Holzbauelemente nach Ablauf der Gebäudelebensdauer zurückgenommen und für neue Konstruktionen und Bauvorhaben bereitgestellt.
Entscheidend dabei ist eine vollständig digitalisierte 3-D-Dokumentation, die es den zukünftigen Nutzern erlaubt, ihre Suche nach geeigneten Bauteilen punktgenau durchführen zu können. Das erklärte Ziel der Derix-Gruppe ist es, diese Verfahrensweise in der gesamten Baubranche zu etablieren, wobei der Holzbau als Pionier den Weg einer kreislauforientierten Bauwirtschaft ebnen soll.
In Erkenntnis dessen galt es, möglichst wenig unterschiedliche und später einfach zu separierende Materialien in der Planung zu berücksichtigen. Denn Baustoffe wie Holz, Glas, Gips, Lehm, Ziegel oder Beton lassen sich auch Jahrzehnte nach der Erstverwendung gut aufbereiten und erneut einsetzen, sofern diese sortenrein vorliegen. Um die späteren Rücknahmequoten hochzuhalten, setzte man dem folgend auf trockene und einfache Verbindungen, die Verbundmaterialien weitestmöglich ebenso ausschließt wie verschmutzte Bauteile.
Die Planung des Cradle basiert auf CAD-Modellen, die interdisziplinär entwickelt und mittels Simulationen optimiert wurden. Daraus resultierte ein IFC-Modell (Industry Foundation Classes) als Grundlage für den integralen BIM-Prozess, bei dem sämtliche Bauteile und Materialien in einen sogenannten »Building Material Passport« eingeflossen sind. Aus diesem ging eine optimierte und präzisierte Materialauswahl mit individuellen Bauteilnummern und zeitgleicher Dokumentation für den späteren Rückbau hervor.
Die darin vorgenommene Klassifizierung der Bauteile erfolgte anhand definierter Kriterien, wie z.B. Demontierbarkeit, CO2-Bilanz sowie deren Recyclingfähigkeit. Später ist dieses IFC-Modell auf die Madaster-Plattform hochgeladen worden, um den Rohstoffrestwert und die Zirkularität der im Gebäude verbauten Materialien und Rohstoffe zu ermitteln. Diese Dokumentationsplattform, deren Name nicht zufällig an ein Kataster erinnert, bildet den kompletten Lebenszyklus der Bauteile von der Herstellung über den Einbau und Nutzung bis zum Abriss ab.
The Cradle ist als erstes Bauvorhaben im deutschsprachigen Raum auf diese Weise registriert worden. Das proklamierte Ziel lautet, definierte Bauteile zu über 90% nach Nutzungsende zurückbauen und wiederverwerten zu können. In Zukunft soll daraus weltweit eine digitale Online-Datenbank für sämtliche gängigen Bauprodukte und Bauvorhaben entstehen. Unter Einbindung der Rohstoffbörsen wäre es dann möglich, jedes Gebäude als minutiös erfasstes Rohstoffdepot mit einem Material- und Immobilienwert zu dokumentieren, bei dem auch auf zukünftige Veränderungen der Grundparameter (Preis / Nachfrage) flexibel reagiert werden kann.
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